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Monday, May 18, 2009

„Ich bereue es nicht, aber ich würde es nie wieder tun"

RNZ (Rhein-Neckar-Zeitung) Intermedia 69 - 40 Jahre danach

Bei der Diskussion im Kunstverein: Klaus Staeck mit Katharina Sieverding. Foto: F. Hentschel
Von Julia Behrens

"Ich komme mit drei Elefanten über die Alpen nach Heidelberg", verkündete der Künstler Ben Vautier. Klaus Staeck und Jochen Goetze, die Initiatoren des Heidelberger Fluxus-Festivals "intermedia ’69" staunten nicht schlecht. Vor allem über die Resonanz auf ihre Einladung, die sie im März 1969 an 80 Vertreter der Fluxusbewegung geschickt hatten. Die Anzahl der Zusagen war überwältigend.

Bei einem temperamentvollen Zeitzeugengespräch feuerten jetzt im Heidelberger Kunstverein Klaus Staeck, Katharina Sieverding, Hans Gercke und Helmut Schweizer ihre Erinnerungssalven ins Publikum und ließen die "intermedia ’69" ungeheuer lebendig werden. Das Festival hatte im Mai 1969 in nur drei Tagen auf dem Areal der Studentenhochhäuser am Klausenpfad in Heidelberg 5000 Besucher angezogen und besaß, abgesehen von dem politischen Tumult, den es auslöste, große künstlerische Strahlkraft. Genau 40 Jahre später wird es nun in einer großen Ausstellung von Kunstvereinsleiter Johann Holten als kritischer Rückblick inszeniert (vgl. RNZ vom 14. Mai) – und scheint wieder ein Publikumsmagnet zu werden, denn bei der sich anschließenden Vernissage platzte das Haus aus allen Nähten.

"Ich bereue es nicht, aber ich würde es nie wieder tun": Mit entwaffnender Ehrlichkeit schildert Klaus Staeck (der gerade seine zweite Amtszeit als Präsident der Akademie der Künste in Berlin begonnen hat) die Risiken, auf die er sich zusammen mit Jochen Goetze eingelassen hatte. Als Protestaktion gegen die Ausstellungspraxis des Kunstvereins wollten sie damals Happenings, Performances und Künstler wie Beuys und Spoerri, Uecker und Roth nach Heidelberg holen. Dabei orientierten sie sich an der Ausstellung "When attitudes become form", die Harald Szeemann in der Kunsthalle Bern im März/April 1969 veranstaltet hatte. Die Tatsache, dass bei Christos abenteuerlicher Verpackung des Amerikahauses die Schieferplatten des Daches kaputtgingen oder die Fenster eines Wohnheims nach einer Plakatierung von Jörg Immendorff ausgetauscht werden mussten, zogen jahrelange Verhandlungen mit Versicherungen und Behörden nach sich. Überschattet wurde das Festival auch von der Rivalität zwischen Joseph Beuys und Wolf Vostell, die beide Künstler dazu veranlasste, ihre Teilnahme kurzfristig abzusagen.

Doch diese Schwierigkeiten gehörten genauso zu dem improvisierten, ereignishaften Charakter der "intermedia ’69" wie die vielen, nicht geladenen Bands und Künstlergruppen, die sich während der drei Tage im Klausenpfad produzierten. Mehr Sorge als diese Besucher, die immerhin alle brav 4 Mark Eintritt zahlten, bereiteten Staeck und Goetze die radikalen Studenten, die die Kunst von Christo als "Weißmacher" attackierten und die "scheinbar linke, in Wirklichkeit aber unpolitische Kunst" des Festivals anprangerten.

Katharina Sieverding kam als Schülerin von Beuys damals mit den beiden IMIs (Imi Knoebel und Rainer Giese) nach Heidelberg und schoss während der "intermedia ’69" eine Menge Fotos. Jetzt zeigt sie in der aktuellen Schau eine Zusammenstellung dieser Bilder, die viel von der subkulturellen Atmosphäre ausstrahlen. Sie war von der Campussituation in Heidelberg begeistert. Bis heute zeige die Bewegung ihrer Meinung nach Wirkung und wird von zeitgenössischen Künstlern mit performativem Ansatz wieder aufgegriffen.

Auch Helmut Schweizer, der als Student mit seiner Gruppe PUYK an der Kunstakademie Karlsruhe Alternativen zu den dort vorherrschenden klassischen Unterrichtsstrukturen suchte, erlebte das Spektakel als inspirierenden Schlagabtausch mit Gleichgesinnten. Allerdings sah er den Partytaumel, der einige ernst zu nehmende Kunstaktionen überlagerte, durchaus negativ.

Als Kunstkritiker der RNZ wertete Hans Gercke das Festival damals als aufregendes und kunsthistorisch relevantes Ereignis für Heidelberg. In seinen Texten versuchte er, den Lesern mit "missionarischem Anspruch" die avantgardistischen und für viele damals schwer verständlichen, künstlerischen Ideen zu vermitteln, nicht ohne sie selbst zu hinterfragen. Als er 1970 Leiter des Heidelberger Kunstvereins wurde, integrierte er viele Impulse der "intermedia ’69" in sein Programm.

Dass das Festival jetzt überhaupt fassbar wird, liegt an der sinnlich aufbereiteten Rückschau Johann Holtens und an dem Katalog, den Klaus Staeck, Jochen Goetze und Renate Buschmann nun punktgenau 40 Jahre nach Eröffnung der "intermedia ’69" herausgegeben haben.

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