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Monday, December 15, 2008

Fluxus-Gründer (George Brecht) tot

FRANKFURTER RUNDSCHAU
FR-online.de Kultur & Medien

Feuilleton

Fluxus-Gründer tot
"Gas geben, Motor beschleunigen"
VON SANDRA DANICKE

Er wolle sicherstellen, so hat es George Brecht einst formuliert, dass "die Details des täglichen Lebens, die zufälligen Konstellationen von Objekten, die uns umgeben, endlich aufhören, unbemerkt zu bleiben". Was klingt, wie das Konzept eines zeitgenössischen Künstlers, hat George Brecht bereits in den fünfziger Jahren entwickelt. Der Künstler stellte etwa einen Garderobenständer mit Damenmantel und Schirm aus, präsentierte Stühle oder Tische im Ausstellungsraum. Gegenstände, wie sie zuvor bereits als Ready Mades bei Marcel Duchamp oder als Assemblagen bei Robert Rauschenberg aufgetaucht waren, doch Brecht fügte noch einen entscheidenden Aspekt hinzu. Mit Ausstellungstiteln wie "Toward Events: An Arrangement" (so hieß 1959 seine erste Schau in der New Yorker Reuben Gallery) brachte George Brecht Elemente wie Vergänglichkeit und Partizipation ins Spiel, und wurde so mit Nam June Paik, Wolf Vostell und Yoko Ono zum Begründer der Fluxus-Bewegung.

Patentierte Tampon-Produkte

Geboren wurde Brecht 1926 in New York als George MacDiarmid; seinen Künstlernamen legte er sich 1945 während seiner Stationierung als US-Soldat im Schwarzwald zu. Nach dem Krieg verfolgte Brecht zunächst eine Doppelstrategie, studierte in Philadelphia Chemie und nahm gleichzeitig Zeichen- und Bildhauerunterricht. Bis 1965 arbeitete er in New Jersey als Pharma-Ingenieur, entwickelte und patentierte Tampon-Produkte, und knüpfte gleichzeitig Kontakte zu David Tudor, Robert Watts und Allan Kaprow. 1958-59 besuchte George Brecht den Kurs "Experimental Composition" von John Cage an der New York School for Social Research und entwickelte in den folgenden Jahren die Konzeption des "Events". Für George Maciunas, den Fluxus-Chef-Organisator, waren jene Events ein zentraler Bestandteil der Absichten von Fluxus.

Von Cage beeinflusst, schrieb Brecht ab 1961 eigene Partituren, in denen der Zufall sowie die Geräusche der Umgebung eine zentrale Rolle spielen. Etwa "Motor Vehicle Sundown", eine Aktion, bei der einer Gruppe von Autofahrern Handlungsanweisungen wie "Gas geben, Motor beschleunigen" oder "Kofferraum öffnen und schließen" ausgehändigt wurden. Gemeinsam mit Robert Watts gründete Brecht 1962 in New York das "Yam Festival", zog 1965 nach Villefranche-sur-Mer bei Nizza, wo er bis 1968 mit Robert Filliou "La cédille qui sourit" (Die lächelnde Cedille) betrieb, eine Art Ideenfabrik für Kunstprojekte, Mail-Order-Events und Poesie, und zog sich schließlich weitgehend aus dem Ausstellungsbetrieb zurück. Stattdessen züchtete er Kristalle, lernte Chinesisch und gab eine dreisprachige Übersetzung des "Hsin Hsin Ming" von Seng Ts'an heraus, ein Zen-Text aus dem 6. Jahrhundert.

Als das Kölner Museum Ludwig 2005 eine Brecht-Retrospektive zeigte, waren selbst Fachleute erstaunt, dass der Künstler bereits seit mehr als drei Jahrzehnten im Rheinland wohnte, 1970 zog er zunächst nach Düsseldorf, zwei Jahre später nach Köln und produzierte Hörspiele im WDR-Studio.

Noch bis 1999 sammelte Brecht für sein Projekt "Audio Recordings of Great Works of Art" Tonaufnahmen der Geräuschkulissen vor zentralen Werken der europäischen Kunstgeschichte, etwa der "Mona Lisa" im Pariser Louvre.

Am Freitag ist George Brecht im Alter von 82 Jahren in einem Kölner Altenheim gestorben.

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Dokument erstellt am 07.12.2008 um 16:36:02 Uhr
Letzte Änderung am 07.12.2008 um 22:09:30 Uhr
Erscheinungsdatum 08.12.2008

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